Datenschutzrecht-Praxis

 


Neues zum Datenschutzrecht


29.7.2022

EuGH bestätigt besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte

Der EuGH hat am 22.6.2022 (C-534/20) entschieden, dass ein strengerer Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nach nationalen Vorschriften der EU-Mitgliedstaaten wie z.B. § 38 Abs.2 BDSG i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG nicht gegen EU-Recht verstößt.

+ + + Update vom 25.8.2022: Eine ausführliche Besprechung finden Sie im neuen Heft der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 2022, S. 1001 ff. des C. H. Beck-Verlags + + +

Ausgangsverfahren und Hintergrund

Das EuGH-Urteil erging im Rahmen eines Rechtsstreits über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer Datenschutzbeauftragten eines Unternehmens wegen einer Umstrukturierung. Die Datenschutzbeauftragte, die zugleich Leiterin des Bereichs Recht war, erhob eine Kündigungsschutzklage. Die Instanzgerichte hielten die Kündigung für unwirksam. Aus den speziellen deutschen Datenschutzregelungen im BDSG ergebe sich, dass  Datenschutzbeauftragte nur aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Die im vorliegenden Fall angeführte Umstrukturierung des Unternehmens sei kein wichtiger Grund im Sinne der gesetzlichen Regelung. Die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung gem. § 38 Abs.2 BDSG in Verbindung mit § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG liegen nicht vor.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) fokussierte die Frage, ob ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht – hier § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG bzw. § 38 Abs.2 BDSG i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG – strengere Voraussetzungen für die Kündigung von Datenschutzbeauftragten vorsehen kann als es nach der DSGVO der Fall ist.

Während Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO lediglich vorschreibt, dass Datenschutzbeauftragte wegen der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden dürfen, sieht das BDSG einen besonderen Kündigungsschutz auch dann vor, wenn die Kündigung nicht mit der Erfüllung der Aufgaben als Datenschutzbeauftragter zusammenhängt, sondern aus anderen Gründen erfolgt. Eine Kündigung ist gem. § 38 Abs.2 BDSG i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG nur aus wichtigem Grund zulässig. Die Rechtmäßigkeit dieses stärkeren Kündigungsschutzes aufgrund nationaler Vorschriften ist zumindest in der deutschen Fachliteratur umstritten. Überwiegend wird - zutreffend - vertreten, dass die Regelung zulässig sei. Beim Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte handele es sich um eine rein arbeitsrechtliche Regelung, so dass für die EU keine Gesetzgebungskompetenz bestehe. Es wird jedoch auch vertreten, dass der besondere Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nach den BDSG-Vorschriften gegen EU-Recht verstoße. Daher legte das BAG am 30.7.2020 (2 AZR 225/20 (A))  dem EuGH u.a. folgende Frage vor:

Ist Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie hier § 38 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG entgegensteht, nach der der Arbeitgeber eines Datenschutzbeauftragten diesem selbst dann nur aus wichtigem Grund kündigen kann, wenn die Kündigung nicht mit der Erfüllung der Aufgaben des Datenschutzbeauftragten in Zusammenhang steht.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH (C-534/20) hat entscheiden, dass es einem Mitgliedstaat freisteht, in Ausübung seiner Zuständigkeit strengere Vorschriften für die arbeitgeberseitige Kündigung von Datenschutzbeauftragten vorzusehen. Entsprechende nationale Regelungen verstoßen nicht gegen die DSGVO. Damit folgt das Gericht den Schlussanträgen des Generalanwalts v. 27.1.2022.

Die Regelung in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO zielt auf den Schutz der Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten und die Gewährleistung ihrer funktionellen Unabhängigkeit. Das umfasse auch eine Kündigung, die aus Gründen erfolgt, die im Zusammenhang mit der Erfüllung der Aufgaben von Datenschutzbeauftragten stehen.

Allerdings sind Aspekte des Arbeitsverhältnisses kein Gegenstand der Regelungsziele der DSGVO, sondern allenfalls am Rande betroffen und zwar soweit es unbedingt erforderlich ist, um die Unabhängigkeit von Datenschutzbeauftragten zu gewährleisten. Regelungen zum Kündigungsschutz (von Datenschutzbeauftragten) sind grundsätzlich Aspekte der Sozialpolitik und betreffen nicht die Zielsetzungen der DSGVO. Über den Umfang hinaus, wie er in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO festlegt ist, trifft die DSGVO keine Schutzregelungen für das Arbeitsverhältnis von Datenschutzbeauftragten. Für solche Regelungen liegt auch keine Gesetzgebungskompetenz der EU vor.

Es ist jedoch zu beachten, dass ein strengerer Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte durch die Mitgliedstaaten als Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ihn vorsieht, die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigen darf. Das wäre laut EuGH beispielsweise der Fall, wenn eine nationale Regelung eine Kündigung verbietet, obgleich ein Datenschutzbeauftragter nicht mehr die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Eigenschaften besitzt oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt.

Fazit

Der besondere Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nach § 38 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG verstößt nicht gegen die DSGVO und ist europarechtskonform. Abberufungen und Kündigungen von Datenschutzbeauftragten sind aber weiterhin im Rahmen der BDSG-Vorschriften möglich. Die Anforderungen sind zwar hoch, können aber im Einzelfall erfüllt sein, z.B. wenn ein Datenschutzbeauftragter seine Aufgaben trotz hinreichender Rahmenbedingungen nicht wahrnimmt.

Sollten Sie Fragen zur Abberufung und Kündigung von Datenschutzbeauftragten haben oder insoweit Unterstützung benötigen, können Sie mich gerne kontaktieren.


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