Neues zum Datenschutzrecht
26.11.2021
EuGH: Inbox-Werbung nur mit Einwilligung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 25. November 2021 (Rechtssache C-102/20) entschieden, dass die Einblendung von Werbenachrichten in der E-Mail-Inbox in einer Form, die der einer tatsächlichen E‑Mail ähnlich ist, eine Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung im Sinne der Richtlinie 2002/58/EG darstellt und daher einer Einwilligung bedarf.
Hintergrund
Ausgangspunkt dieser Vorabentscheidung des EuGH war eine Vorlage des Bundesgerichtshofs (BGH), der ein wettbewerbsrechtlicher Streit zweier im Wettbewerb stehender Stromlieferanten zugrunde lag. Ein Anbieter ließ Werbeanzeigen schalten, die in der Einblendung von Bannern in E‑Mail-Postfächern von Nutzern des kostenfreien E‑Mail-Dienstes T-Online bestanden. Diese Nachrichten wurden eingeblendet, sobald die Nutzer des E-Mail-Dienstes ihre Inbox öffneten, wobei sowohl die betroffenen Nutzer als auch die eingeblendeten Nachrichten zufällig ausgewählt wurden. Ein solches Vorgehen bzw. Verfahren wird auch als „Inbox Advertising“ bzw. „Inbox-Werbung“ bezeichnet.
Die in Frage stehenden Nachrichten unterschieden sich optisch von der Liste der anderen E-Mails des Kontonutzers nur dadurch, dass das Datum durch die Angabe „Anzeige“ ersetzt, kein Absender angegeben und der Text grau unterlegt waren. Die Betreffzeile des Listeneintrags enthielt einen Text zur Bewerbung vorteilhafter Preise für Strom und Gas.
Entscheidung
Der EuGH bewertet diese Inbox-Nachrichten als Direktwerbung und hält eine Einwilligung für erforderlich. Das Gericht geht davon aus, dass die in Frage stehende Vorgehensweise eine Verwendung elektronischer Post darstellt, die geeignet ist, das Ziel der Richtlinie 2002/58/EG (ePrivacy-Richtlinie), zu beeinträchtigen, die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung zu schützen. Dieses von der ePrivacy-Richtlinie verfolgte Ziel muss unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie gewährleistet sein, weshalb ein weiter und aus technologischer Sicht entwicklungsfähiger Begriff der von der ePrivacy-Richtlinie erfassten Art von Kommunikation geboten ist.
Bereits die Art der Werbenachrichten, die die Bewerbung von Diensten zum Gegenstand haben, und der Umstand, dass sie in der Form einer E-Mail verbreitet werden, erlauben es, diese Nachrichten als „Nachrichten für die Zwecke der Direktwerbung“ einzustufen. Dem Umstand, dass die Adressaten dieser Werbenachrichten nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden, kommt nach Ansicht des Gerichts keine Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, dass eine zu kommerziellen Zwecken vorgenommene Kommunikation vorliegt, die einen oder mehrere Nutzer von E-Mail-Diensten direkt und individuell erreicht.
Eine solche Direktwerbung ist nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die Empfänger zuvor eingewilligt haben. Eine solche Einwilligung muss in einer Willensbekundung zum Ausdruck kommen, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt.
Ob eine solche Einwilligung im konkreten Fall eingeholt wurde, muss nun der BGH klären. Dabei ist zu beachten, dass im zugrunde liegenden Streit der E-Mail-Dienst T-Online in zwei verschiedenen Formen angeboten wird: In Form eines unentgeltlichen Dienstes, der durch Werbung finanziert wird, und in Form eines entgeltlichen E-Mail-Dienstes ohne Werbung. Bei seiner Entscheidung hat der BGH zu untersuchen, ob die Nutzer der unentgeltlichen Variante hinreichend über die Modalitäten der Verbreitung der Werbung informiert wurden und tatsächlich darin einwilligt haben, Werbenachrichten zu erhalten.
Fehlt es an einer Einwilligung, stellt die sog. Inbox-Werbung nach Ansicht des EuGH ein "hartnäckiges und unerwünschtes Ansprechen" im Sinne der Richtlinie 2005/29/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) dar, sofern es häufig und regelmäßig stattfindet. Die in Frage stehende Einblendung der Werbenachrichten in der Liste der privaten E-Mails des Nutzers behindert den Zugang zu diesen E-Mails in ähnlicher Weise wie bei unerbetenen E-Mails, also Spam. Eine solche Einblendung von Werbenachrichten stellt jedenfalls tatsächlich eine Belastung dar. Die Richtlinie 2002/58/EG schreibt nicht vor, dass die Belastung über eine Belästigung hinausgehen muss.
Fazit und Ausblick
Die Vorgaben des EuGH sind eindeutig. Inbox-Werbung bedarf einer Einwilligung, auch wenn dies im Rahmen eines unentgeltlichen Angebots eines E-Mail-Dienstes erfolgt. Ob eine Einwilligung im zugrunde liegenden Fall eingeholt wurde, muss nunmehr der BGH klären. Fehlt es an der Einwilligung, liegt eine wettbewerbswidrige Handlung, also ein Verstoß gegen das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) vor. Diese nun anstehende BGH-Entscheidung wird allerdings nicht nur für den zugrunde liegenden Einzelfall von Bedeutung sein, sondern für alle unentgeltlichen E-Mail-Dienste. Sie wird Maßstäbe dafür enthalten, wie konkret die Informationen gehalten und die Einwilligung in die Werbung im Detail ausgestaltet sein muss.
Sollten Sie Fragen zu Inbox-Werbung, zur ePrivacy-Richtlinie oder zu sonstigen datenschutzrechtlichen Themen haben oder dabei Unterstützung benötigen, können Sie mich gerne kontaktieren.
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