Datenschutzrecht-Praxis

 


Neues zum Datenschutzrecht


1.5.2020

Videoüberwachung des „Corona-Mindestabstands“ zwischen Beschäftigten unzulässig?

Ein Einsatz von Videoüberwachungskameras zur Kontrolle des räumlichen Mindestabstands zwischen Beschäftigten durch den Arbeitgeber war kürzlich Gegenstand einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Wesel. Das Gericht (Beschluss vom 24.4.2020 - 2 BVGa 4/20) gab dem Unterlassungsbegehren des Betriebsrats wegen der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte nur teilweise statt.

Sachverhalt

Der Betriebsrat eines Logistik- und Versandunternehmen, das einem internationalen Konzern angehört, hat den Arbeitgeber im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Der Arbeitgeber kontrollierte mittels einer bereits praktizierten betrieblichen Videoüberwachung erstmalig auch die Einhaltung der im Rahmen der Corona-Pandemie empfohlenen Sicherheitsabstände zwischen den Beschäftigten. Für die bereits praktizierte betriebliche Videoüberwachung besteht eine Betriebsvereinbarung zur Installation und Nutzung von Überwachungskameras, in der als Zweck der Überwachung u.a. der Schutz der Beschäftigten festgelegt ist. Die im Rahmen der betrieblichen Videoüberwachung erstellten Aufnahmen wurden ins Ausland übermittelt und auf den dort gelegenen Servern verpixelt.

Entscheidung des Gerichts

Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrates teilweise stattgegeben. Nach Ansicht des Gerichts widerspricht die Übermittlung der Daten ins Ausland der im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung zur Installation und Nutzung von Überwachungskameras. Dagegen sei der Einsatz der Videoüberwachung zu dem Zweck der Einhaltung der im Rahmen der Corona-Pandemie empfohlenen Sicherheitsabstände zwischen den Beschäftigten von der Betriebsvereinbarung gedeckt, da einer der Einsatzzwecke der Videoüberwachung der „Schutz der Beschäftigten“ ist.

Bewertung der Entscheidung und Hinweise für die Praxis

Der Beschluss des Gerichts behandelt in erster Linie Fragen des Mitbestimmungsrechts. Der Einsatz von Videoüberwachung wirft aber immer auch datenschutzrechtliche Fragen auf. In dem vom Arbeitsgericht Wesel entschiedenen Fall lag ein Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung vor, die die Installation und Nutzung von Überwachungskameras im Unternehmen zum Gegenstand hat. Eine Betriebsvereinbarung kann gem. Art. 88 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 1 BDSG eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten bilden, aber eben nur soweit wie der Zweck, der Umfang und die Durchführung der Datenverarbeitung – hier in Form einer Videoüberwachung – konkret geregelt sind.

Das Gericht bejahte einen Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung interessanterweise nur aus dem Grund, dass eine Datenübermittlung ins Ausland erfolgte, die nach den bestehenden Regelungen der Betriebsvereinbarung ausgeschlossen war. Dagegen sei der Zweck, die "Corona-Mindestabstände" zwischen den Beschäftigten zu überwachen, von der bestehenden Betriebsvereinbarung gedeckt, da sie als Einsatzzweck u.a. den „Schutz der Beschäftigten“ vorsieht. Diese Bewertung mag dem Umstand geschuldet sein, dass es sich um ein einstweiliges Rechtschutzverfahren handelte. Es ist jedenfalls fraglich, ob die Zweckbestimmung „Schutz der Beschäftigten“ in der Betriebsvereinbarung den rechtlichen Anforderungen genügt. Das kann mangels Kenntnis des gesamten Wortlauts der Betriebsvereinbarung hier nicht beurteilt werden. Es handelt sich jedenfalls um eine sehr weitreichende Zweckbestimmung, wie auch das Gericht festgestellt hat. Der Zweck muss aber so eindeutig bestimmt sein, dass er konkret nachvollzogen werden kann und nicht die Gefahr besteht, nachträglich beliebig angepasst und erweitert zu werden. Dass der „Schutz der Beschäftigten“ auch die Überwachung etwaiger Abstandsvorgaben im Rahmen einer Virus-Pandemie umfasst haben soll, ist mehr als fraglich. Außerdem ist bei einer Überwachung der Einhaltung des Abstands die Schutzrichtung eher repressiver als präventiver Natur, wie es beim „Schutz der Beschäftigten“ der Fall ist. Daher spricht viel für eine Erweiterung der in der Betriebsvereinbarung festgelegten Zwecke, also eine Zweckänderung und damit für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Zweckbindung gem. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b DSGVO. Der Arbeitsgeber hätte den neuen Zweck im Rahmen einer Änderung der Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Videoüberwachung mit der Beschäftigtenvertretung festlegen und vereinbaren müssen.

Allerdings wird es datenschutzrechtlich kaum zulässig sein, eine Videoüberwachung zum Zweck der Einhaltung der im Rahmen der Corona-Pandemie empfohlenen Sicherheitsabstände zwischen den Beschäftigten durchzuführen. Die Verarbeitung der Beschäftigtendaten wird grundsätzlich nicht verhältnismäßig sein und  gegen den Grundsatz der Datenminimierung gem. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c DSGVO verstoßen. Zwar können in der Corona-Pandemie aufgrund der einhergehenden Gefahren für die Gesundheit durchaus weitreichende Maßnahmen gerechtfertigt sein. Allerdings ist eine Videoüberwachung insbesondere im Beschäftigungsverhältnis eine besonders eingriffsintensive Maßnahme, die auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur unter ganz engen Voraussetzungen zulässig ist. Hierbei spielt insbesondere die zeitliche Dauer der Überwachung eine Rolle. Eine Dauerüberwachung, um die Einhaltung der Sicherheitsabstände zwischen den Beschäftigten zu kontrollieren, widerspricht dem datenschutzrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es sind durchaus weniger eingriffsintensive Möglichkeiten denkbar wie z.B. lokale Kontrollen der Abstandsregelungen.

Sollten Sie Fragen zur betrieblichen oder sonstigen Videoüberwachung oder zu anderen datenschutzrechtlichen Themen haben oder dabei Unterstützung benötigen, können Sie mich gerne kontaktieren.


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